Ein wenig Philosophie in der Biologie...
Jeder von uns stellt sich gelegentlich die Frage, wie wir zu unseren Erkenntnissen, Auffassungen und Meinungen kommen und warum wir manchmal so
schwer mit anderen Menschen uns einigen können.
Um solche Fragen zu beantworten, lohnt ein Ausflug in die Neurobiologie und in die Philosophie. Denn die Forschungen der letzten Jahre erlauben,
Verbindungen zwischen beiden Gebieten zu ziehen und die Art, wie wir erkennen, biologisch zu beschreiben. Ein lohnendes Unterfangen, um sich selbst und andere besser zu verstehen. Dazu möchte ich
hier und in loser Folge einige Gedanken vorstellen, die aus einer Hausarbeit im Rahmen meines Masterstudiums stammen. Ich zitiere dabei u.a. aus dem Buch "Der Baum der Erkenntnis" der Biologen
Maturana und Varela, welches meine Arbeits- und Denkweise nachhaltig geprägt hat.
Wie subjektiv ist unser Erkennen?
Die biologische Forschung der siebziger Jahre bewies erstmals, dass unsere persönliche nseErkenntnis keine Abbildung der objektiv existierenden Realität isind, wie man viel Hunderte Jahre glaubte
und was auch heute noch oftmals angenommen wird.
Der Prozess des Erkennens an sich gebunden ist an unsere eigene biologische Struktur, er erfolgt also nicht rein geistig. Im Unterschied zur bisherigen philosophischen Erkenntnistheorie machen die Autoren Varela und Maturana in ihrem Buch „Der Baum der Erkenntnis“. die biologischen Grundlagen des Erkennens zum Untersuchungsgegenstand.
Die Autoren zeigen, dass jede Erfahrung und jedes Erkennen höchst
subjektiv, mit unserer Gehirnstruktur verknüpft und durch diese bestimmt ist, also kein rein geistiger, freier, körperloser Willensakt. „Wir sehen nicht den Raum der Welt, sondern wir
erleben unser visuelles Feld, wir sehen nicht die Farben der Welt, sondern unseren chromatischen Raum ... Die Erfahrung von jedem Ding „Da draußen“ wird auf eine spezifische
Weise durch die menschliche Struktur konfiguriert, die „das Ding“, das in der sprachlichen Beschreibung entsteht, erst möglich macht. Diese Zirkularität, diese Verkettung von Handlung und
Erfahrung, zeigt uns, dass jeder Akt des Erkennens eine Welt hervorbringt. Tun ist Erkennen und jedes Erkennen ist Tun.“
Diese Auffassung entspricht in der Philosophie den Anschauungen des Konstruktivismus, wonach Wirklichkeit nicht an sich existiert sondern konstruiert (hervorgebracht) wird durch den Akt des Erkennens und in unserem ganzen Sein, auch im sozialen Sein mit dem Hervorbringen von Begriffen.
Was ist Erkenntnis?
Das Phänomen des Erkennens ist überall gleich, durch die biologische Struktur vorgegeben, es ergibt sich aus Handeln und erzeugt „das Ding“, „die Welt“, „die Farbe“ …über die sich dann
ausgetauscht wird und Realitätsbegriffe erzeugt werden.
Erkennen ist die effektive, wirksame Handlung eines Lebewesens. Es bedeutet eine wirksame Reaktion eines jeden Organismus auf Störungen im Außenmilieu zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen innen und außen. Das betrifft bereits Erkennungsprozesse einfachster Art bei Einzellern mit sensomotorisch einfachsten Kopplungen, die Erkennen und wirksames Handeln erlauben, und findet sich bei höheren Organismen in immer weiter ausdifferenzierter Form bis hin zur Begriffssprache, die durch den sozialen Abgleich von Begriffen Realitäten hervorbringt.
Erkennen ist gleich Lernen?
Alles Erkennen eines Organismus erfolgt unter Einschluss von Neuroplastizität., also einer Veränderbarkeit des Nervensystems in
Richtung Anpassung und Erhalt wirksamer Handlungen. Der funktionierende Organismus selektiert die zufällig gebildeten
Strukturveränderungen, die für ihn sinnvoll sind.
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