· 

Was ist eigentlich... Erkenntnis?


Wenn unsere Wirklichkeit, wie auch alle anderen Begriffe subjektiv konstruiert und die Bedeutung von Begriffen durch Übereinkunft unter uns Menschen ausgehandelt werden, dann relativiert sich auch der „objektive“ Charakter von Erkenntnis. Denn: „Wir sprechen von (Er)Kenntnis, wenn wir ein effektives oder angemessenes Verhalten in einem bestimmten Kontext beobachten, das heißt in einem Bereich, den wir als Beobachter formulieren“ (Maturana & Varela 1987, S. 189).

 

Erkenntnis umfasst sprachliches Erkennen, Logik sowie alle anderen Möglichkeiten nonverbaler Erkenntnisgewinnung. Die typisch menschliche Erkenntninsakte - Kognitionen - funktionieren genauso, sind aber nicht die einzigen Erkenntnisarten (vgl. Maturana & Varela 1987, S. 191).

 

Maturana und Varela betonen die Bedeutung von kommunikativen Beziehungen zur Konstruktion begrifflicher Realitäten. Sie betonen, dass die Realität ebenso ein Begriffskonstrukt ist, das nur durch menschlichen Austausch zur Realität wurde, wie jeder andere Begriff auch. „Der Beobachter, ein Lebewesen-in-der-Sprache, wird in den Mittelpunkt jedes Verstehens und jeder Realitätsauffassung gestellt. Realität erweist sich als ein Konzept, steht für subjektgebundene Konstrukte, die, einmal mit anderen Menschen abgestimmt, den Charakter des Realen, das heißt von uns unabhängig Existierenden, bekommen“ (Maturana & Varela 1987, S. 14). Wörter sind Begriffe, die wir in unserer kulturellen Tradition für uns geschaffen haben und gemeinsam benutzen.

 

Denktraditionen sind nicht die Realität, sondern kulturelle soziale Kopplungen in der Sprache. „Wir Menschen existieren als Menschen im Netzwerk von Strukturkopplungen, das wir dauernd durch die fortgesetzte sprachliche Tropholaxis unseres Verhaltens weben. Sprache wurde niemals von jemandem erfunden, nur um damit die äußere Welt abzubilden.

Maturana und Varela erweitern diese Überlegungen sogar noch auf den typisch menschlichen Bereich von Tradition und Kultur: „Der ganze Satz von Regelmäßigkeiten, die zur Kopplung einer sozialen Gruppe gehören, stellt ihre biologische und kulturelle Tradition dar. Eine Tradition basiert auf allen Verhaltensweisen, die in der Geschichte eines sozialen Systems selbstverständlich, regelmäßig und annehmbar geworden sind. Menschliches Erkennen als wirksames Handeln gehört zum biologischen Bereich, wird aber in einer kulturellen Tradition gelebt“ (Maturana & Varela 1987, S. 261).


Zitiert aus:
Karnahl, U. (2012): Feldenkrais meets Systemisches. Ein methodisch-didaktischer Vergleich von Feldenkrais-Pädagogik und systemischer Arbeitsweise. Akademikerverlag

Kommentar schreiben

Kommentare: 0