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Was Hänschen nicht lernt...

Neuroplastizität und Lerne, Ko-Regulation von Lernen, Ko-Konstruktion als Lernen, Lernen und Anpassung im gehirn, lebenslang

Was Hänschen nicht lernt… Wie geschieht Lernen und Anpassung?

In jeder Körperregion werden zunächst ein erheblicher Überschuss an synaptischen Vernetzungen spontan und zufällig gebildet und danach werden die funktionierenden Verbindungen verstärkt und die funktionslosen Verbindungen wieder gelöst. Es gilt das Grundprinzip : Use it or loose it.

Die große Formbarkeit (Neuroplastizität) des Gehirns ist der entscheidende Mechanismus, der Lernen ermöglicht. Folgende Lernabfolgen lassen sich unterscheiden: Verstärkung vorhandener alter Synapsen, Ausbildung neuer Fortsätze sowie Integration neuer funktionstüchtiger Nervenzellen in das bereits gebildete Netzwerk. So können komplexe neue Erfahrungen langfristig gespeichert werden. Solche erfahrungsabhängigen Veränderungen in der Vernetzung der Nervenzellen des Gehirns sind die materielle Basis von jeglichem Lernen – sei es die Selbstorganisation der grundlegenden Lebensvorgänge wie Muskelspannung, Bewegung, Blutdruck oder aber Sprache und Mathematik. Jedes Lernen verändert die Struktur des Gehirns, jedes Lernen umfasst ausprobieren, Rückmeldungen einarbeiten, neu ausprobieren.

Wer sich davon ein Bild machen will, braucht sich nur ein Baby bei seinen unentwegten Versuchen und Irrtümern und neuen Versuchen anzuschauen. So lernt es aus vielen zufälligen und fehlerhaften Greifversuchen allmählich die richtigen Muskeln zur rechten Zeit zu aktivieren und mittels Versuch und Irrtum langsam die korrekten Verbindungen im Gehirn zu stabilisieren. Auf diese Weise konstruiert jedes Baby seine eigenen Gehirnverbindungen entsprechend der Lernerfahrungen. die ersten und wesentlichsten Lernerfahrungen konstruiert ein Baby mit Hilfe der Mutter, d.h. die beiden ko-konstruieren die Lerninhalte. Immer dann, wenn z.B. die Mutter ihm hilft, sich zu beruhigen, ihm ein Bilderbuch zeigt, mit ihm spricht, laufen Ko-Regulations- und Ko-Konstruktionsprozesse zwischen beiden ab.

Daraus lässt sich die hohe Bedeutung der Umwelt für vielfältige Lernerfahrungen ableiten. Nur eine Umwelt, die reichhaltige Erfahrungen ermöglicht, unterstützt den Lernprozess ausreichend. Wir bekommen die Gehirne, die wir uns selbst schaffen können bzw. die unsere Eltern uns schaffen ließen. Untersuchungen haben gezeigt, dass bei einer angereicherten sozialen und materiellen Umwelt das Gehirn eine größere Masse erreicht, die Großhirnrinde dicker ist und die Nervenzellen untereinander dichter verzweigt sind. Zur Umwelt gehört immer auch die soziale Umwelt, auch hier bestimmt das Angebot seitens der Mutter und anderer Bezugspersonen die Art der Erfahrungen, die ein Baby und jeder Mensch machen. Das Baby und seine Mutter, aber auch Affenweibchen und ihre Jungen, konstruieren gegenseitig ihre Erfahrungen von Sicherheit, Wohlbefinden und Willkommensein in der Welt. In ihrer Interaktion ko-konstruieren sie gemeinsam ihre soziale Realität.

Bei häufig benutzten Vernetzungen werden die Verbindungen von der Nervenzelle zu ihrer Zielzelle allmählich myelinisiert, das heißt mit einer Isolationsschicht umgeben, die zu einem schnelleren und effizienteren Informationsfluss führt. Dieses hohe Maß an erfahrungsabhängiger Vernetzung des Nervensystems ist typisch menschlich. Andere Säugetiere kommen mit einem weitgehend ausgereiften Gehirn zur Welt.

 

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