Der Reiz des Neuen – wozu Neugier dient
Wie organisiert es das Gehirn, aus einer Flut von Reizen, die ständig einströmen, wichtige von nebensächlichen Informationen zu unterscheiden?
Diese Organisations- und Filterungsfunktion übernimmt das Aufmerksamkeitssystem des Gehirns, welches wir mit allen Säugetieren gemeinsam haben. Das Aufmerksamkeitssystem gehört zum evolutionär ältesten Teil des Gehirns, zum Hirnstamm. Wenn ein neuer Reiz in der Umgebung auftaucht, wechseln wir aus der Entspannung in eine äußere Aufmerksamkeit und Wachheit, einen höheren Muskeltonus, der ganze Organismus wird über die Neurotransmitter Adrenalin und Noradrenalin wacher und handlungsbereiter.
Neben der Filterung ist die Aufgabe des Aufmerksamkeitssystems die ausreichende Aktivierung des Gehirns zur Bearbeitung wichtiger Reize sowie die Herabsetzung der Aufmerksamkeit zum Schutz vor einer Informationsüberflutung. Damit gewährleistet es seine Hauptaufgabe bei der Sicherung des biologischen Gleichgewichts des Organismus. Es ist ein ökonomisches Prinzip, nicht jederzeit und auf alles aufmerksam zu sein, denn unser Gehirn verbraucht mehr als 20% der Nahrungsenergie, wenn es dauerhaft im Einsatz ist. Das Abziehen der Aufmerksamkeit ist vor allem bei Babys eindrucksvoll zu beobachten, die spontan den Blick abwenden, wenn ihre Aufmerksamkeit ermüdet ist, und spontan wieder in Kontakt gehen, nachdem sie ausreichend regeneriert haben. Die erfahrungsabhängige Vernetzung des Gehirns steht immer unter dem Einfluss von Aufmerksamkeit und Motivation. Das Aufmerksamkeitssystem schafft eine Verbindung zum Großhirn und kann dadurch die Aktivität der Großhirnrinde beeinflussen und modulieren, je nach Bedeutung des Reizes. Zur Aktivierung der Aufmerksamkeit muss ein Reiz ausreichend neu oder ausreichend wichtig sein, um das gesamte Gehirn zur Lösung des anstehenden Problems zu aktivieren.
Die Organisation der Aufmerksamkeit beeinflusst die Fähigkeit zu lernen, indem es die Aktivität des Gehirns so steuert, dass eine Handlung optimal koordiniert, situationsangemessen und erfolgreich ausgeführt werden kann. Das gilt sowohl für unser Beispiel des Greifens nach einem Spielzeug als auch für hochkomplexe Handlungen. Die Fähigkeit, aufmerksam zu sein, ist abhängig vom inneren Erregungsniveau des Nervensystems, vom Gefühl der inneren Sicherheit und vom Grad des Wachbewusstseins. Im Schlaf ist sie sehr niedrig, dann nehmen wir die äußere Welt nicht wahr.
Im Zustand eines hohen inneren Erregungsniveaus sind wir unaufmerksam, ziellos, ruhelos mit fahrigen, nervösen Bewegungen und Handlungen. Am leistungsfähigsten sind wir in einem mittleren Erregungsniveau. Aufmerksamkeit bewirkt eine selektive Aktivierung gerade dieser Areale und Strukturen des Gehirns, in deren Bereich gelernt wird bei gleichzeitiger Deaktivierung nicht benötigter Bereiche. Die Aktivierung und Lenkung der Aufmerksamkeit, insbesondere der zielgerichteten selektiven Aufmerksamkeit ist ein Lernprozess wie alle anderen Handlungen auch.