Durch eigene frühe Erfahrungen von Stress und Trennung, aber auch durch die allgemeine Beschleunigung des Alltags haben heutzutage viele werdende Mütter eine ziemlich hohe innere Erregung, derer sie sich nicht bewusst sind.
Außerdem fehlt in dem hektischen, durchgeplanten Leben meistens die Zeit dafür, dass die Mutter mit Freundinnen schwatzt, sich zusammen mit dem werdenden Vater Zeit für ihr Ungeborenes nimmt, um in sich hineinzuhorchen und mit dem Baby zu sprechen. Je mehr die werdenden Mütter in der Schwangerschaft aktiv und beruflich oder privat eingespannt sind, desto höher ist ihre sympathische Aktivierung, obwohl sie in keiner konkreten Gefahr sind. Sie selbst als Erwachsene haben sich daran gewöhnt und nehmen daraus folgenden Stressreaktionen bei sich selbst nicht wahr.
Die Auswirkungen dieses Lebensstils spüren die ungeborenen Babys körperlich sehr stark. Mit der chronischen Übererregung des sympathischen Nervensystems erfolgt die Ausschüttung von Cortisol, das direkt auf das Ungeborene übertragen wird. Cortisol behindert die Ausschüttung des scheuen Hormons Oxytocin bei der Mutter und damit auch bei dem Ungeborenen. Und dieser negative Kreislauf entsteht trotz einer äußeren Zufriedenheit der werdenden Eltern mit ihrer Lebenssituation, wenn ihnen gegenseitig die Ko-Regulation des Vagusssystems zugunsten von Sicherheit und Regeneration nicht ausreichend gelingt.
Solche Situationen werden in den letzten 20-30 Jahren immer öfter beobachtet. Insbesondere in den letzten 30 Jahren, die durch eine Zunahme an Belastungen für viele Frauen gekennzeichnet sind, entstand trotz viel besserer äußerer materieller Bedingungen eine starke Entfremdung von sich selbst. Wir erleben heute mehr unbewussten Stress und mehr Unruhe in der Schwangerschaft, als vor 30 Jahren.
Viele Menschen haben kein Wissen mehr davon, wie ihr Gefühl der Sicherheit und des Wohlbefindens gemeinsam reguliert wird über Blicke, Mimik, Gestik, Stimme und Körperkontakt mit anderen Menschen, der Familie, Freunden, Partnern. Mütter brauchen eigene Entspannungsfähigkeit in der Ko-Regulation mit dem Partner. Erfahrungen von unzureichender Ko-Regulation von Sicherheit und Wohlbefinden bilden heutzutage oftmals einen wesentlichen Teil der prägenden Ersterfahrungen der Primärperiode und äußert sich in Schwierigkeiten der Babys in ihrer Zustandsregulation.
Je nach dem Wohlbefinden der Mutter in ihrer jeweiligen Lebenssituation und vor allem ihrer Beziehung zum Vater sind sehr unterschiedliche Informationen, Hormone und Neurotransmitter schon vorgeburtlich im Blutkreislauf. Alle diese Informationen haben einen Einfluss auf das Ungeborene und es muss sich damit in seiner Regulation auseinandersetzen.
Freude auf das kommende Baby, Liebe zu ihm und zum Vater, wie auch Wohlbefinden in der jetzige Lebenssituation erzeugen die entsprechenden Ausschüttungen von Dopamin, Serotonin, endogenen Opioiden und Oxytocin, so dass sich diese positiven inneren Gefühlszustände als entspannnende Körperreaktionen auf den Embryo übertragen. Damit werden die entsprechenden neuronalen Netze für Sicherheit und Liebesempfinden angelegt, die die Babys nach der Geburt immer wieder suchen.
Aber ebenso werden innere Zustände der Mutter von Stress, gehetzt oder überfordert sein, von innerer Unruhe oder existenzieller Unsicherheit oder Notlagen auf das ungeborene Baby über die entsprechenden Neurotransmitter und Hormone, insbesondere Cortisol, übertragen. Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass fortlaufender, chronischer mittlerer Stress, so, wie wir alle ihn alltäglich erleben, auch zu einer ständigen Ausschüttung von Cortisol und der entsprechenden Übererregung beim ungeborenen Baby führt.
Es spürt Aufregung oder Ärger der Mutter über deren schnellen Herzschlag, über die Veränderungen ihres Blutdrucks und die ansteigende Muskelspannung, aber auch die über die Anspannung ihrer Bauchdecke und der Gebärmutter. Durch die Nabelschnur wird auch sein Kreislauf mit Cortisol überschwemmt und dann produziert das Baby als Antwort auf diese Empfindungen, die in ihm Angst auslösen auch eigenes Cortisol. Durch ihre entspannten oder gehetzten Bewegungen, die Geräusche der Außenwelt von Gesang und Musik bis hin zu Verkehrs- oder Maschinenlärm, durch ihre gelassenen oder ärgerlichen Gespräche bildet es seine ersten Lernerfahrungen und neuronalen Netze für Sicherheit und Geborgenheit.
Je nach Ausmaß der Unruhe und Aktivität der Mutter, je nach den Fähigkeiten des Paares, gegenseitig für Sicherheit,
Entspannung und Liebe über die Ko-Regulation zu sorgen, kann es sein, dass die sympathische Erregung über Adrenalin und Cortisol die Erfahrung von Sicherheit weitgehend verhindert. Das
ungeboerene Baby kann dann evtl. nicht die nötige Ruhe und Sicherheit in der Stimme der Mutter oder des Vaters finden, evtl auch nicht sich am ruhigen Herzschlag der Mutter beruhigen. Wenn ihm
die Sicherheitserfahrungen aus der Körpersprache der Mutter fehlen, kann es bereits im Mutterleib nicht mehr genügend Ruhe finden und sich regulieren lernen. Zahlreiche Untersuchungen der letzten
20 Jahre bestätigen eine zunehmende Tendenz solcher Erfahrungen von Ungeborenen während der Schwangerschaft.
Aus diesen Gründen ist es wichtig für werdende bzw. frischgebackenen Eltern, die entsprecheden Informationen über diese Zusammenhänge sowie praktische Fähigkeiten zu ihrer eigenen Entspannung und Regulation zu erwerbenn. Dem widme ich mich seit mehreren Jahren im Rahmen der Entwicklungsbegleitung für Babys und Eltern bzw. im Elterncoaching.
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